Neues zur Varusschlacht
In der Einleitung heißt es zum Sinn und Nutzen des 2007 im Eigenverlag der Autoren erschienenen Werkes zusammenfassend-programmatisch:
Über Arminius und die Varusschlacht wurden schon viele Bücher veröffentlicht. Die Varusschlacht ist der Inbegriff des Bellum Germanicum, weil drei ganze Legionen überraschend vollständig aufgerieben wurden. Von geschichtlicher Bedeutung ist der Krieg als Ganzes, die Dynamik, welche ihn begründete und die Dynamik, die er brach. Dies über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten von 17/16 v. Chr. bis 16/17 n. Chr.
Obwohl die genaue Lage der Schlachtfelder gesellschaftswissenschaftlich und auch archäologisch von untergeordneter Bedeutung ist, birgt die räumliche Einordnung die Faszination, das Unbegreifliche begreifbar zu machen, sich in die Umwelt der damaligen Menschen hineinzuversetzen, und den Sieg Davids über Goliath vielleicht besser zu verstehen: Hirn über Panzer. Von der Varusschlacht geht eine solche Faszination aus, dass sogar Fachwissenschaftler sich verleiten lassen, um ihre Örtlichkeit hart zu kämpfen.
Und an anderer Stelle läßt sich knapp zusammenfassend zum Ergebnis der Schlacht und ihren langfristigen Folgen zitieren:
Kaiser Tiberius brach 16/17 n. Chr. angesichts der horrenden Verluste von wahrscheinlich noch einmal 25.000 Soldaten gegen den Willen des Germanicus den Krieg ab. Denn Steuern wie aus dem prosperierenden Gallien waren aus dem verherten Germanien auf absehbare Zeit nicht herauszupressen. Die Germanen sollten sich lieber gegenseitig an die Kehle gehen – eine Strategie, die aufging.
Das Autorenteam gibt in Ihrer sehr gut, ja spannend zu lesenden Zusammenfassung einen Überblick über die literarisch-historischen Hauptquellen, eine praktisch-anschauliche Beschreibung für Otto Normalbürger, über die wichtigsten materiellen, archäologischen Funde, inkl. der Bedeutung und Verbreitung der wichtigsten Hinterlassenschaften, insbesondere römischer Münzen, über Toponyme und Hydroyme, also (besonders langlebige, alte) Orts- und Gewässernamen, Überblicke und Erläuterungen der Hauptverkehrswege der Römerzeit in den fraglichen Gebieten, auch mittels selbstgefertigter Kartographie und eine Einordung, besser: sinnvolle Verkettung der Lager und Kastelle entlang dieser Wege – und was hierbei gegen das neuentdeckte Kalkriese und für „ihr“ Salzuflen spricht.
So ist etwa u.a. mindestens bedenkenswert, ob der Begriff „saltus teutoburgensis“, welcher in der Literatur üblicherweise als Teutoburger Wald übersetzt wird, so die Autoren, nicht ebenso gut als Salzfluß oder Salzort an der Teutoburg gelesen werden kann, mithin als beschreibendes, lokales Toponym, und eben nicht als feststehender lateinischer Begriff.
Spitzen schießen die Autoren des im Eigenverlag herausgegebenen kleinen Buches gegen die formale Geschichtswissenschaft bzw. die verbohrtesten Vertreter derselben in ihren einmal gefaßten und dann eben nicht selten wider bessere Fakten behaltenen Urteilen, insbesondere über die Lage des Schlachtfeldes. Ist es nun Kalkriese, wie seit der Bodenprospektion des englischen Majors ebenda mehrheitlich angenommen wird, besonders aus der voreingenommenen Region, welche in den wenigen Jahren seit der Entdeckung des Schlachtortes bereits erfolgreich eine zunehmend große Zahl von Touristen anlockte? Oder ist es, doch, wie die Autoren des Werks insistieren, bei Bad Salzuflen gewesen, an der Werre, und in Kalkriese fand zwar tatsächlich eine andere große römisch-germanische Schlacht statt, aber eben eine des Germanicus, 14/16 n.Chr.? Ist Kalkriese topographisch, Nachschub-technisch und materiell-archäologisch Kalkriese angesichts der antiken Beschreibung als Ort der Varusschlachtzu halten? – Die Autoren sagen dazu deutlich nein, mit durchaus einleuchtenden, nachvollziehbaren Schlußfolgerungen. Der von diesen erläuterte Verlauf von sinnvollen Marschkolonnen entlang damals existierender Wege, die Lage und Konstellation von Nachschubwegen klingen am überzeugendsten.
Die „Kalkrieser“ wiederum argumentieren neuerdings mit den wieder bestatteten Gebeinen von offensichtlichen römischen Soldaten (nur Männer zwischen 20 und 40 wurden als Bestattete bei Kalkriese gefunden; während bei den Germanen sicher mindestens auch 15- und 45jährige Kämpfer dabeigewesen sein müßten; also nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit auch unter den zahlreichen Toten). Germanicus hat nach seinem Besuch der Varus-Schlachtfeldes (d.h. Jahre später) die Überreste der herumliegenden römischen Opfer beerdigen lassen. Und tatsächlich weisen diese Gebeine Spuren u.a. von Nagetieren auf, die darauf hinweisen, daß erstere offenbar über eine lange Zeit (vielleicht Jahre) für Tiere zum Greifen herumlagen.
Man muß nicht mit deren Ausführungen am Ende teilen, unter: „Die Folgen“, von Witte-Kind und den West-/Ost-Falen bis zur sprachlichen Namensgruppierung und evtl. Anleihen um Sigi-mer, Segestes (aus der Familie des Anrührers, dem Cheruskerfürsten und deutschen Nationalhelden „Hermann“, welcher bekanntlich nur als Arminius namentlich belegt ist) für den / zum Siegfried der Nibelungensage, um die übrigen Teile des Werks aufschluß- und lehrreich, erfrischend und munter zu finden.
Das für das Buch verantwortlich zeichnende Autorentrio ist eine veritable Autoren-Familie, bestehend aus dem habilitierten Geographie-Professor in Hamburg, Siegfried G. Schoppe, und seine beiden engagierten Söhnen, Stephan A., ebenda, sowie Christian M. aus Sulzbach-Taunus.
Mehr und Näheres zum Gesamtthema, nicht nur zum Buch selbst, unter der von den Autoren hierzu eingerichteten Homepage,
www.arminius-varusschlacht.de . Dann auf anregende, spannende und fruchtbare Diskussionen!
Christian, Siegfried und Stephan Schoppe: Varusschlacht, Books on Demand, Norderstedt 2007, 140Seiten.
Andreas Heuberger, MA